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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 1 B 166/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
Einem Beamten drohen regelmäßig keine unzumutbaren Nachteile, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen, wenn er einer befristeten Umsetzung innerhalb des Betriebs Vivento der Deutschen Telekom AG nachkommen muss.

Dies gilt auch dann, wenn ihm nicht gleichzeitig ein Amt im funktionellen Sinn übertragen wird, solange die auszuübende Tätigkeit als solche amtsangemessen ist.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 B 166/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Umsetzung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 6. März 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 9. Januar 2008 - 1 G 2091/07 (2) - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es unter Hinweis auf die unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache zu Recht abgelehnt die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen und der Antragsgegnerin zu untersagen, den Antragsteller aufgrund der Verfügung vom 20. Dezember 2007 bei der Vivento CCBP als Projektmanager in Bonn einzusetzen. Die Beschwerdebegründung bietet keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Soweit der Antragsteller sich auch im Beschwerdeverfahren darauf beruft, die verfügte Umsetzung sei aus formellen Gründen rechtswidrig, weil es an der notwendigen Mitwirkung des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung fehle bzw. er selbst nicht hinreichend angehört worden sei, folgt der Senat den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 4 Mitte bis S. 7 oben des Entscheidungsabdrucks). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht erstmals durch den Anhörungsbogen vom 3. Dezember 2007, sondern bereits bei einem "Screening-Gespräch" am 28. Juni 2006 von den Planungen für eine Beschäftigung als Projektmanager in Bonn erfahren hat (vgl. das Protokoll des Gesprächs Bl. 342 GA). Zwar war seinerzeit noch nicht von einem konkreten Projekt die Rede, doch diente dieses Gespräch gerade der Vorbereitung eines späteren Projekteinsatzes und der Überprüfung, über welche der dafür als notwendig erachteten Qualifikationen der Antragsteller verfügt. Als Ergebnis ist festgehalten, dass der Antragsteller im Bereich von Moderations- und Präsentationstechniken Fähigkeiten besitzt, die jetzt mit ausschlaggebend für die Auswahl seiner Person für das geplante Projekt Portfoliobereinigung Retailprodukte 2008 (vgl. die Projektbeschreibung Bl. 340 f. GA) gewesen sind.

Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsteller durch die vorübergehende Beschäftigung als Projektmanager für den benannten Zeitraum vom 18. (20.) Dezember 2007 bis zum 14. März 2008 unzumutbare Nachteile erleidet, die ausnahmsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung trotz Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würden. Denn wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, begehrt der Antragsteller mit der Verpflichtung, ihn nicht als Projektmanager in Bonn einzusetzen, dasselbe, was er auch in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren erreichen könnte, und eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache ist selbst in den Fällen, in denen aus zeitlichen Gründen ein Hauptsacheverfahren kaum durchführbar ist, nur unter strenger Abwägung der wechselseitigen Interessen und bei drohender Gefahr schwerwiegender Nachteile zulässig (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, Anm. 13 ff. zu § 123 VwGO). Ein derartiger unzumutbarer Nachteil entsteht für den Antragsteller selbst dann nicht, wenn er der Umsetzungsverfügung zunächst Folge leistet und sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Zum einen kann die Umsetzungsentscheidung jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, und allein in der Erbringung der Arbeitsleistung als Projektmanager liegt kein unzumutbarer Nachteil, dem durch eine einstweilige Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache begegnet werden müsste. Denn soweit es sich bei der Position als Projektmanager um eine amtsangemessene Beschäftigung handelt (s. hierzu unten S. 5f) und auch keine sonstigen besonderen Umstände z.B. unterbringungstechnischer oder familiärer Art gegen die Umsetzung sprechen (s. hierzu unten S. 7) wird von dem Antragsteller letztlich nichts verlangt, was außerhalb seines nach wie vor bestehenden beamtenrechtlichen Pflichtenverhältnisses zur Antragsgegnerin liegt.

Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Versetzung des Antragstellers zur Personalserviceagentur Vivento und damit die Beendigung seiner Tätigkeit bei T-Nova bzw. T-Systems im Sommer 2004 sich als zwar bestandskräftig, aber rechtswidrig darstellt, weil ihm nicht gleichzeitig mit der Zuordnung zu Vivento ein abstrakt-funktionelles sowie ein konkret-funktionelles Amt entsprechend seinem Status als Technischer Fernmeldeoberamtsrat (A 13) übertragen worden ist (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteile vom 22.06.2006 - 2 C 26.05 - und - 2 C 1.06 - = BVerwGE 126, 182 ff.). Diese rechtswidrige Versetzung wird durch die Umsetzung zur Organisationseinheit Geschäftsprojekte (business projects) bei Vivento in Bonn weder vertieft noch perpetuiert (so aber VG Stade, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 3 B 652/07 - oder VG Stuttgart, Beschluss vom 30. Januar 2007 - 17 K 4418/06 - ) . Denn die Umsetzungsverfügung vom 20. Dezember 2007 soll der dauerhaften Zuweisung eines amtsangemessenen Dienstpostens nicht entgegenstehen, wie sich aus dem Schreiben vom 3. Dezember 2007 (Bl. 5, 6 Behördenakte) ergibt. Danach gilt der vorgesehene Einsatz nur "vorbehaltlich einer anderen dauerhaften Verwendungsmöglichkeit im Konzern".

Die vorübergehende Beschäftigung als Projektmanager erscheint zwar insofern zweifelhaft, als dem Antragsteller damit nicht das ihm fehlende Amt im abstrakt-funktionellen sowie im konkret-funktionellen Sinne übertragen wird. Insofern verbessert diese Umsetzung die rechtswidrige Versetzung zur Personalserviceagentur Vivento nicht, so dass der Antragsteller zu Recht darauf hinweist, dass er nach wie vor einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung geltend machen kann und dies auch im Sommer 2006 - erfolglos - getan hat. Andererseits ist jedoch auch zu bedenken, dass er -anders als bei der Versetzung zu Vivento im Sommer 2004 - keinen aktuellen Dienstposten mehr bekleidet, der ihm durch die Umsetzung entzogen wird. Vielmehr hat der Antragsteller ausweislich der von ihm selbst vorgelegten Unterlagen seit der Versetzung zu Vivento abgesehen von kurzen Qualifizierungsmaßnahmen keinerlei Beschäftigung mehr ausgeübt und ist damit genau in jenem Zustand des perspektivlosen Zuwartens und der Pseudobeschäftigung gefangen, dem durch die vom Bundesverwaltungsgericht betonte Verpflichtung zur Übertragung eines abstrakt-funktionellen sowie eines amtsangemessenen konkret-funktionellen Amtes begegnet werden soll. Wenn der Antragsteller vor diesem Hintergrund - und sei es auch nur vorübergehend - in amtsangemessener Art und Weise beschäftigt wird, erleidet er also im Verhältnis zur jetzigen Konstellation nicht etwa einen wesentlichen Nachteil, sondern es verbessert sich seine Gesamtsituation tendenziell, auch wenn sie im Ergebnis nicht den Vorgaben des Beamtenrechts entspricht (in diesem abwägenden Sinne auch gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.04.2007 - 1 B 473/07 -).

Jedenfalls bei der gebotenen Abwägung, ob dem Antragsteller unzumutbare Nachteile drohen, wenn er der Weisung zur Wahrnehmung der Funktion als Projektmanager folgen muss, geht der Senat deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30.04.2007 - 1 B 473/07 -) und einiger erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte ( z. B. VG Neustadt, Beschluss vom 21 Dezember 2006 - 3 L 1885/06.NW; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Oktober 2006 - 12 L 1496/06 - und VG Berlin, Beschluss vom 7. Juni 2007 - 26 A 84.07 -) davon aus, dass ihm derartig gravierende Nachteile nicht drohen. Diese Wertung steht ebenfalls in Einklang mit der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in dessen Beschlüssen vom 24. April 2007 (4 S 517/07 und 4 S 519/07) sowie vom 26. September 2007 (4 S 2017/07), wonach zu bedenken ist, dass ein Beamter für die Zeit, in die er nicht in einen abstrakt-funktionellen Wirkungskreis eingegliedert ist, von jeglicher Verpflichtung zur befristeten Übernahme einer amtsangemessenen Aufgabe befreit wäre, wenn man allein aufgrund des weiterhin bestehenden Fehlens eines abstrakt und konkreten Funktionsamtes die Umsetzung zum Vivento Businessprojekt als rechtswidrig erachten würde.

Den gegenteiligen Auffassungen einiger Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte, auf die der Antragsteller sich beruft (bei den Obergerichten OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. September 2007 - 5 ME 224/07 -; Bay. VGH, Beschlüsse vom 27. März 2007 - 15 CE 07.287- und vom 6. November 2007 - 15 CE 07.2743- sowie OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Bs 222/07 - , IÖD 2008, 26; erstinstanzlich z.B. VG Hannover, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 13 B 4572/07 - oder VG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 4 K 1983/07 -) vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar stellen diese Entscheidungen zutreffend darauf ab, dass die Umsetzungsverfügung der Antragsgegnerin für einen befristeten Einsatz bei der Vivento CCBP in Bonn ebenso wie die ursprüngliche Zuordnung der betroffenen Beamten von ihren bisherigen Dienststellen zur Vivento daran "krankt", dass sie den Beamten kein abstrakt-funktionelles Amt überträgt und damit deren Status nicht hinreichend gerecht wird. Der Senat zweifelt jedoch daran, dass dies allein ausreicht, um einen wesentlichen Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu begründen und eine einstweilige Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen (so in der Tendenz auch schon Senatsbeschluss vom 9. Januar 2008 - 1 TG 2464/07 -).

Dies gilt jedenfalls bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, bei der der Antragsteller mit einer - soweit nach den Schilderungen der Antragsgegnerin ersichtlich - amtsangemessenen Beschäftigung als Projektmanager betraut werden soll. Denn nach den vorgelegten Projektbeschreibungen ist die Tätigkeit entsprechend A 13 BBesO eingestuft und verlangt Kenntnisse und Fähigkeiten, die dem gehobenen Ausbildungsstand des Antragstellers entsprechen und die er in weiten Teilen im Rahmen seiner bisherigen Beschäftigung im Konzern erwerben konnte. Der Antragsteller hält dem zwar entgegen, dass er insbesondere in seiner Zeit bei T-Systems bzw. T-Nova als Mitarbeiter bei der Koordinierung der Telekom-Standardisierung lediglich Sekretariats- und Vorzimmertätigkeiten versehen und Dokumente allenfalls nach Abfrage einzelner Experten selbst erstellt habe. Immerhin hat diese Tätigkeit ihm jedoch die Betreuung und Erstellung von Einsatzdokumenten der entsprechenden Standardisierungsexperten nahegebracht. Auch wird er sicherlich Gelegenheit gehabt haben, sich Grundzüge des dortigen Fachwissens anzueignen, wenn er selbst z. B. im Internet recherchiert hat. Ähnliches wird jetzt von ihm als Projektmanager (nicht als Projektleiter) erwartet, zu dessen Aufgaben u. a. das Beschaffen entscheidungsrelevanter Produktinformationen gehören soll. Zudem verfügt der Antragsteller ausweislich des Screening-Gespräches auch über gewisse Kenntnisse in Moderations- und Präsentationstechniken, so dass er für die beschriebenen Projektaufgaben nicht von vornherein als ungeeignet erscheint.

Schließlich kann der Antragsteller sich auch nicht darauf berufen, dass das ihm übertragene Projekt zu wenig konkret beschrieben und insofern die befristete Umsetzung gerade vom 18. Dezember 2007 bis 14. März 2008 unangemessen sei. Denn aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Vertragsanhang (Bl. 340 ff. GA) für das ausgewählte Projekt Portfolio Retailprodukte 2008 lässt sich entnehmen, dass dieses Projekt genau während der für den Antragsteller als Beschäftigungszeitraum vorgesehenen Monate durchgeführt werden soll. Die nicht ausgeschlossene Verlängerung der Tätigkeit resultiert eher daraus, dass der Abschluss des Projekts zu Beginn noch nicht eindeutig vorhergesehen werden kann. Auch spricht nicht gegen die Übertragung gerade dieses Projektes, dass es am 13. Dezember 2007 beginnen sollte und der Antragsteller erst für einen Zeitraum ab 18. Dezember bzw. - da die Verfügung nachträglich unter dem 20. Dezember 2007 ergangen ist - ab 20. Dezember 2007 zur Dienstleistung verpflichtet worden ist. Denn diese wenigen Tage lassen sich ohne weiteres durch entsprechenden Zuschnitt der Arbeitspakete überbrücken. Im Übrigen hat allein die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers dazu geführt, dass er nicht mit der Bearbeitung der vorgesehenen Projektarbeitspakete betraut worden ist; dies kann keinesfalls als Beleg dafür dienen, dass kein Bedarf für einen entsprechenden Projektmanager bestanden hat.

Schließlich erleidet der Antragsteller auch nicht deshalb einen wesentlichen Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO, weil er neben der Beschäftigung auf unsicherer rechtlicher Grundlage eine zusätzliche Belastung durch doppelte Haushaltsführung, Umzug oder familiäre Probleme hinnehmen müsste. Zum einen sind seine Kinder volljährig, zum zweiten lässt sich dem Weisungsschreiben vom 3. Dezember 2007 (Bl. 5, 6 Behördenakte) entnehmen, dass für die Zeit der Projektmitarbeit eine Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Im Übrigen können für die vorübergehende auswärtige Beschäftigung Leistungen nach der Richtlinie "Doppelte Haushaltsführung" der Deutschen Telekom AG beantragt werden.

Da der Antragsteller unterlegen ist, hat er die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG und geht mangels sonstiger Anhaltspunkte von der Hälfte des Auffangstreitwertes aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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